Von der Marke zur Love-Brand

Von der Marke zur Love-Brand

Interview zur strategischen Markenbildung und Markenführung für Start-Ups und Gründer mit Thomas Syring, Director DACH Fristads Kansas, ehemals Sales Director Central Europe bei Thule Group

 

authorized.by: Einige etablierte Hersteller haben sich mit dem Thema „Marke“ nie beschäftigt, sind nun aber aufgrund zunehmender Konkurrenz gezwungen, sich deutlicher zu positionieren. Was sagen Sie, ab wann ist man nicht nur Hersteller sondern Marke?

Thomas Syring: Unabhängig von der Schulbuchdefinition denke ich, sobald das Produkt, die Firma einen Bekanntheitsgrad von mehr als 50% hat, darf man sich durchaus als Marke sehen. Deutlich wird das am besten an einem Beispiel. Wenn ich eine Gruppe von 20 Personen nach fünf bekannten Werkzeugherstellern frage, dann sind die fünf am häufigsten genannten Hersteller nicht nur Hersteller sondern Markenhersteller.

 

authorized.by: Nun gibt es Marken, die sind nicht nur eine Brand, sondern eine Love-Brand.
Unter Ihrer Regie wurde Thule zu einer Love-Brand. Herr Syring, wie etabliert man eine Love-Brand oder anders gefragt, ist Liebe planbar?

Thomas Syring: Ganz klar – Jein! So wie man immer wieder überrascht wird, welche digitalen Inhalte viral gehen, so werden manche Marken ganz ungeplant und überraschend zur Love-Brand. Andere planen die Liebe fein säuberlich und dennoch springt der emotionale Funke nicht über. Und genau hier liegt der feine Unterschied. Die meisten Love-Brands sind über Jahre hinweg einerseits konsistent im eigenen Kosmos und schaffen es dennoch, sich mit ihrer Zielgruppe weiter zu entwickeln. Sie stehen ihren Kunden immer wieder „zur Seite“, begleiten sie meist über Jahre hinweg, sind Alltagshelfer. Die Kunden entwickeln ungewollt und ohne darüber nachzudenken eine Leidenschaft und entscheiden sich unterbewusst immer wieder für die gleiche Marke. Bestes Beispiel Pepsi und Coca-Cola – da gibt es kein „egal“, da gibt es nur ein „wenn, dann“.

 

authorized.by: Wann macht es aus Ihrer Sicht für eine Marke Sinn, eine Love-Brand zu werden bzw. werden zu wollen?

Thomas Syring: Ganz klar – wenn Leidenschaft auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit trifft, hat man das Zeug zur Love-Brand. Dann sollte man keinen Aufwand scheuen und versuchen, sich emotional in den Köpfen seiner Kunden zu verankern.

 

authorized.by: Können Sie uns 6 Elemente nennen, die für Sie eine Love-Brand ausmachen?

Thomas Syring: Das kann man sicher nicht ganz pauschal sagen, aber dennoch denke ich, dass viele Love-Brands diese sechs Merkmale aufweisen.

  1. Konsistente Bildsprache und Botschaft – heißt nicht, dass sich Bild und Sprache nicht weiterentwickeln können (und sollen), dennoch bleibt der Kunde in der Wahrnehmung der Marke und deren Botschaft in seiner Komfortzone
  2. Vertrauen – in Produkt und Marke; der Kunde weiß, was er bekommt und erlebt keine oder nur selten Überraschungen bzgl. Qualität, Funktionalität, etc.
  3. Kontinuität – bei Produkt und Marke; der Kunde kann sich darauf verlassen, dass sein Produkt zwar möglicherweise notwendige Anpassungen durchläuft und zeitgemäß bleibt, aber in Verwendung und Zweck erhalten bleibt.
  4. Nachhaltigkeit. Heutzutage verlangen viele Kunden eine gewisse Nachhaltigkeit, vor allem in ökologischer Hinsicht. Diesen Anspruch machen sich Love-Brands zu Nutze
  5. Verantwortungsgefühl. Neben einer gewissen ökologischen Nachhaltigkeit übernehmen Love-Brands nicht selten u.a. ethische, moralische und/oder soziale Verantwortung und schaffen so ein Gefühl von Nahbarkeit und Zugehörigkeit.
  6. Eine Marke, Brand muss „menschlich“ und empathisch sein, damit man sich in sie verliebt.

 

Love-Brands müssen Menschlichkeit zeigen!

 

authorized.by: Verraten Sie uns Ihre persönlichen Top 3 Love-Brands?

Thomas Syring: Sehr gern. Mein Herz schlägt ganz klar für Ducati. Und mit einem gewissen Abstand folgen Audi und danach Apple. Letztere allerdings noch zu den Zeiten von Steve Jobs.

 

authorized.by: Verlassen wir das Thema Markenbildung und -entwicklung und widmen uns dem Thema Vertrieb im Allgemeinen und dem aktuellen Trend D2C (direct-to-consumer) im Speziellen. Sie haben bei Thule auch das Thema Vertrieb Central Europe verantwortet – wie stehen Sie zu diesem Trend?

Thomas Syring: Natürlich haben auch wir uns bei Thule diesen Trend angesehen und für Thule bewertet. Es mag Marken geben, die dies als elementar für die Markenentwicklung betrachten, ich sehe es anders. Es ist weder der heilige Gral für den Markenschutz noch verkaufen Marken über diesen Ansatz deutlich mehr. D2C kann natürlich die Sichtbarkeit für bestimmte Produkte erhöhen und dem Kunden zuverlässig das gesamte Sortiment und den aktuellen Produkt-Content liefern. Jedoch geht der Umsatz, den die Marke direkt macht, lediglich vom Umsatz der Händler ab und vergrößert das Gesamtvolumen nicht signifikant.

Ich vermute, dass nur 2-4% der Konsumenten aufgrund von Sicherheitsbedenken lieber direkt vom Hersteller kaufen oder weil bestimmte Produkte nur exklusiv im markeneigenen Shop erhältlich sind. Für den Markenschutz und auch um berechtigten Sicherheitsbedenken beim Verbraucher Rechnung zu tragen, gibt es meines Erachtens effektivere Steuerungstools als D2C. Bei Thule haben wir bspw. unsere Händler über authorized.by als Vertragspartner autorisiert. Dank des authorized.by Echtzeit-Siegels können die Konsumenten auf einen Blick erkennen, ob der gewählte Online-Händler von Thule autorisiert wurde und somit zuverlässig Original Thule Produkte vertreibt. Zusätzlich kann den autorisierten Händlern über die authorized.by-Plattform stets der aktuellste Product-Content zur Verfügung gestellt und so auf allen Seiten mehr Sicherheit und Vertrauen geschaffen werden.

 

authorized.by: Neben dem aktuellen D2C-Trend spielen natürlich auch selektive Vertriebsverträge bei vielen Marken eine große Rolle. Wie bei D2C steht auch hierbei der Markenschutz oft an erster Stelle. Wie beurteilen Sie diese Systeme? Sind diese der heilige Gral?

Thomas Syring: Das kommt dem heiligen Gral schon näher. Im Gegensatz zu D2C betrachte ich selektive Vertriebsverträge o.ä. als unumgänglich für Marken mit einem breiten Händlernetz und hoher Sichtbarkeit. Selektive Vertriebssysteme im digitalen Handelsgeschäft, stellen aus meiner Sicht die Basis und den Schlüssel für eine qualitative Markensichtbarkeit und deren Entwicklung.

Für Marken ist es wichtig, über ihre Händler die Sichtbarkeit und Kontinuität zu bekommen, die sie haben möchten – in Bild, Wort und Guidelines.

 

authorized.by: Können Sie uns verraten, wie das bei Thule gehandhabt wurde? Als marktbeherrschendes Unternehmen ist Thule ja einigen Restriktionen unterworfen.

Thomas Syring: Das kann ich und ja, als marktbeherrschende Marke ist Thule bestimmten Restriktionen unterworfen und kann daher nicht als Blaupause für alle Marken herhalten. So ist es Thule bspw. verboten, Vertriebspartner auszuschließen.

Dennoch ist es allein aufgrund des hohen Qualitätsanspruchs und des Sicherheitsaspekts der Thule-Produkte unumgänglich, die Einhaltung relevanter und für die Marke entscheidender Qualitätskriterien sicherstellen zu können. Thule hat dafür ein bonifiziertes Partnerprogramm eingeführt – sprich keiner wird ausgeschlossen, aber Händler, die sich an die Einhaltung der aufgestellten Kriterien halten, werden entsprechend bonifiziert.

 

authorized.by: Können Sie uns einige diese Kriterien nennen?

Thomas Syring: Es ist eigentlich ganz einfach – wo Thule drauf steht, muss Thule drin sein und das in Wort, Bild & Text.
Um einige Beispiele zu nennen:

  • Guidelines für den Customer-Service inkl. Wording/Text
  • Wahrung der CI inklusive ausschließlicher Nutzung von autorisierten und freigegebenen Bildern und Texten
  • Definiertes Sortiment, bestimmte Lagervorhaltung wie never-out-of-stock, Vor-Order und ein jährlicher Forecast

 

authorized.by: Hat Thule auch Einfluss auf die Preisgestaltung genommen?

Thomas Syring: Nein, das ist kartellrechtlich verboten. Dennoch bestand der Anspruch, dass die Händler mit ihren Preisen keine Irritation im Markt hervorrufen. Generell hat Thule eher weniger als mehr eingeschränkt und sich stattdessen eher auf das eigene B2C Geschäft konzentriert.

 

authorized.by: Wie wird die Einhaltung der Kriterien überprüft und welche Konsequenz hat es, wenn sich ein Partner nicht an die Vorgaben hält?

Thomas Syring: Die Einhaltung der Kriterien wird über regelmäßige Store-Checks, Surveys und Schulungen geprüft und sichergestellt, offline und online. Auch werden die Verträge jährlich neu verhandelt und schwarze Schafe von der Bonifizierung ausgeschlossen. Das beantwortet auch gleich die zweite Frage. Werden die Kriterien nicht eingehalten, wird der Bonus nicht gezahlt, der Partner bleibt aber dennoch weiterhin Vertriebspartner von Thule. Dahinter steht der Gedanke, dass der Kunde bei einer schlechten Händler-Erfahrung direkt bei Thule bestellt – denn nicht das Produkt hat enttäuscht, sondern der Händler.

 

authorized.by: Wurde das Partnerprogramm allen Händlern angeboten oder mussten sich die Händler dafür qualifizieren?

Thomas Syring: Nun, das Ziel des Partnerprogramms ist qualitativ hochwertige Sichtbarkeit. Thule möchte damit qualitative Interessen durchsetzen, die Wahrnehmung im Markt steuern, Produkten und Marke eine bestimmte Wertigkeit geben. Und natürlich ist die damit einhergehende gute Kundenbindung ein zusätzlicher und äußert wertvoller Vorteil.

Daher hat Thule im Vorfeld seine Händler kategorisiert und das Partnerprogramm nur jenen angeboten, die sich bereits als hochwertige und zuverlässige Partner bewiesen und im Sinne der Marke agiert hatten. Die weniger zuverlässigen Händler wurden nicht aufgenommen und bekamen in Folge weder aktuellen Product-Content, noch autorisierte Bilder oder Texte.

Aufgrund des fehlenden Supports war es für sie sowohl zeitlich als auch finanziell deutlich aufwendiger. Zusätzlich wurden sie anders als autorisierte Partner nicht als aktive Händler auf der Thule-Seite gelistet, was ihre Sichtbarkeit massiv einschränkte und über kurz oder lang von einer weiteren Zusammenarbeit absehen ließ.

 

authorized.by: Vielen Dank Herr Syring für das ausführliche Interview!

 

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